Der kleine Heilige im Kloster

Ein Leben lang hat der kleine Heilige ein glückliches und zufriedenes Leben geführt, bis eines Tages ein Engel zu ihm kam und sagte: "Der Herr schickt mich und lässt dir sagen, dass es Zeit ist, in die Ewigkeit einzugehen!" Mit Blick auf den riesigen Geschirrberg vor ihm erwiderte der kleine Heilige: "Das alles ist noch abzuwaschen. Reicht das mit der Ewigkeit nicht auch dann noch, wenn ich fertig bin?" Der Engel lächelte leise und verständnisvoll und verschwand.

Eines Tages arbeitete der kleine Heilige gerade im Garten, als wieder der Engel erschien, um ihn in die Ewigkeit abzuholen. "Sieh doch das viele Unkraut hier an! Kann die Ewigkeit nicht noch ein bisschen warten?" Der Engel lächelte und verschwand. Und so werkte und arbeitete der Kleine Mönch weiter, grub den Garten um, strich die Scheune, pflegte die Kranken. Als der Engel wieder erschien, blickte der kleine Heilige mitleidheischend zu den Kranken, dann zum Engel. Ohne ein Wort verschwand er wieder.
Doch als der Mönch sich auf seine Zelle zurückzog und aufs harte Bett sank, sann er über den Engel nach und wie er ihn immer wieder hingehalten hatte. Da fühlte er sich müde und alt und sprach: "O Herr, könntest du deinen Engel noch einmal schicken? Er wäre sehr willkommen." Kaum war er zu Ende, stand der Engel schon vor ihm. "Wenn du mich noch nimmst, so bin ich bereit, mit dir in die Ewigkeit zu gehen!" Darauf der Engel, weise, huldvoll und mit liebevollem Blick auf den kleinen Heiligen: "Was glaubst du, wo du die ganze Zeit gewesen bist?"

Keine Heldentaten, keine Weltwunder. Der Mönch erfüllt seine täglichen Pflichten. Aber das Entscheidende ist: er ist ganz von Gott umfangen, umfasst. Gott durchströmt sein Leben und Lieben. So werden Alltagsdienste zu Gottesdiensten. Wer für Gott und die Menschen verfügbar ist und treu und gewissenhaft zu den Aufgaben und Pflichten steht und oftmals den grauen Alltag erträgt, der ist wirklich ein kleiner Heiliger.

(Für sie gefunden von Sr. Marie-Josèphe)

November 2004

Verweile bei mir Archiv 2004 In Erwartung leben